BGH – Abgasskandal: Anspruch auf Ersatzlieferung auch bei Modellwechsel eines Neufahrzeugs?

Am 27.02.2019 sollte der Bundesgerichtshof einen Fall zum Abgasskandal verhandeln. Es sollte um die Frage gehen, ob der Käufer Anspruch auf eine Ersatzlieferung aus der aktuellen Serie, also auch nach Modellwechsels hat.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger erwarb von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen im Juli 2015 an ihn ausgelieferten Neuwagen VW Tiguan 2.0 TDI der ersten Generation, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet war. Das Fahrzeug ist mit einer Software versehen, die erkennt, ob es sich in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet und in diesem Fall (anders als im normalen Fahrbetrieb) verstärkt Abgase in den Motor zurückleitet, um eine Verringerung der am Auspuff gemessenen Stickoxide (NOx-Werte) zu erreichen. Wegen dieser Software, die nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamts eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, verlangte der Kläger von der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20. November 2015 erfolglos die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs (§ 434 Abs. 1, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB). Mit der Klage begehrt der Kläger in erster Linie die Ersatzlieferung eines Neufahrzeugs mit identischer Ausstattung und hilfsweise die Nachbesserung des von ihm erworbenen Fahrzeugs. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts produziert der Fahrzeughersteller seit 2016 allerdings nur noch die zweite Generation des entsprechenden Fahrzeugtyps, die mehrere Änderungen gegenüber der ersten Generation aufweist. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die vom Kläger begehrte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs daher unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB).

Der vorgenannte Termin ist aufgehoben worden, nachdem der Kläger die Revision unter Hinweis darauf, dass sich die Parteien verglichen haben, zurückgenommen hatte. Dem war ein erst Ende Februar 2019 veröffentlichte Hinweisbeschluss des Senats vom 8. Januar 2019 vorausgegangen. In diesem Beschluss hat der Senat die Parteien auf seine vorläufige Rechtsauffassung hinwiesen, dass bei einem Fahrzeug, welches bei Übergabe an den Käufer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein dürfte (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte. Zudem hat der Senat die Parteien auf seine vorläufige Einschätzung hingewiesen, dass die Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft sein könnte, die vom Käufer gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB geforderte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs sei unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil der Kläger ein Fahrzeug der ersten Generation der betreffenden Serie (hier: VW Tiguan 2.0 TDI) erworben habe, diese aber nicht mehr hergestellt werde und ein solches Modell auch nicht mehr beschafft werden könne. Denn im Hinblick auf den Inhalt der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht dürfte – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sein. Vielmehr dürfte es – nicht anders als sei das betreffende Modell noch lieferbar – im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten ankommen. Dies führt jedoch nicht zur Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB; vielmehr kann der Verkäufer eine Ersatzlieferung gegebenenfalls unter den im Einzelfall festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB verweigern, sofern die Ersatzlieferung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

Es handelt sich nicht um ein Urteil, sondern lediglich um einen Hinweisbeschluss. Einmal abgesehen von der Frage, ob ein Mangel vorliegt, hat sich der BGH Fragen der Erforderlichkeit einer Fristsetzung zur Nachbesserung oder der Erheblichkeit des Mangels mit Blick auf Mängelbeseitigungskosten nicht auseinandergesetzt, weil dies bei dem in Rede stehenden Nachlieferungsanspruch keine Rolle spielt. Es kann also keine Rede von einer nunmehr feststehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung gesprochen werden. Dem Hinweisbeschluss kommt allenfalls indizielle Bedeutung zu.

Quelle: Pressemitteilung 22/19 (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2019, Az. VIII ZR 225/17)