AG Aalen: Lieferfristüberschreitung – Urteil vom 14.06.2017 – Az. 112 C 116/17

Das Amtsgericht Aalen hatte sich mit einem Sachverhalt zu befassen, bei dem der Frachtführer restliche Vergütung eingeklagt hatte, nachdem der Auftraggeber gegen den Vergütungsanspruch mit einem Schadensersatzanspruch wegen Lieferfristüberschreitung die Aufrechnung erklärt hatte. Der klagende Frachtführer hatte sich betreffend den zur Aufrechnung gestellten Anspruch auf § 438 Abs. 3 HGB berufen und die Auffassung vertreten, dass die Lieferfristüberschreitung nicht binnen 21 Tagen nach Ablieferung angezeigt worden war und etwaige Ansprüche daher erloschen seien. Vorgenannte Vorschrift lautet wie folgt:

„Ansprüche wegen Überschreitung der Lieferfrist erlöschen, wenn der Empfänger dem Frachtführer die Überschreitung der Lieferfrist nicht innerhalb von einundzwanzig Tagen nach Ablieferung anzeigt.“

Unstreitig war, dass zwischen den Parteien ein Frachtvertrag bestanden hatte und der Transport zu einem der Empfänger nicht am 26.11.2015, sondern erst am 15.12.2015 ausgeführt worden war. Die Anzeige des verklagten Auftraggebers erfolgt erst im Februar 2016. Das Amtsgericht führt hierzu aus:

Das Berufen auf die Frist nach § 438 Abs. 3 HGB ist für die Klägerin auch nicht ausgeschlossen. Zwar hätte sie bei gebotener Sorgfalt wohl wissen können, dass an den dritten Kunden der Transport durch sie nicht rechtzeitig durchgeführt worden ist. Hierauf kommt es jedoch – anders als bei den Anzeigen hinsichtlich des Vorliegens eines Güterschadens gemäß § 438 Abs. 1 und 2 HGB – nicht an. Die Anzeigepflicht hinsichtlich von Lieferfristüberschreitungen ist nicht vom Absender, sondern vom Empfänger vorzunehmen. Zeigt der Absender die Überschreitung der Lieferfrist an, so kann zwar gemäß § 164 Abs. 1 S. 2 BGB meist gefolgert werden, dass dies im Namen des Empfängers geschah, doch ist Sinn und Zweck der Anzeigepflicht durch den Empfänger, dass der Frachtführer Klarheit darüber bekommen soll, ob der Empfänger die Verzögerung der Ablieferung auf sich beruhen lässt oder nicht. Diese Klarheit, die auf einer Entscheidung des Empfängers beruht, kann nicht durch Kenntnis des Frachtführers oder eines Erfüllungsgehilfen ersetzt werden. Die Anzeige ist daher auch dann nicht verzichtbar, wenn der Frachtführer von der Lieferfristüberschreitung bereits Kenntnis hat (Schaffert, HGB, 3. Aufl., 2015, § 438, Rn. 22). Soweit von der Beklagtenseite hier das Urteil des OLG München (16. März 2011, Az. 7 O 1807/09) herangezogen wird, ist darauf hinzuweisen, dass in jenem Urteil lediglich die Schadensanzeige nach § 438 Abs. 1 HGB behandelt wird.

Ergänzend hat das Amtsgericht noch ausgeführt, dass der beauftragte Frachtführer üblicherweise wissen würde, wenn eine verspätete Lieferung vorliege und diese oft auch selbst verursacht haben dürfte. Würde man aber schon aus diesem Grund ein Berufen auf § 438 Abs. 3 HGB als rechtsmissbräuchlich oder unbillig erachten, würde der Anwendungsbereich der Norm erheblich eingeschränkt.

U.S.