BAG, Beschäftigungsanspruch schwerbehinder-ter Menschen, Urteil vom 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18

In einer aktuellen Entscheidung des BAG ist es um das Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs schwerbehinderter Menschen einerseits zur unternehmerischen Organisationsfreiheit andererseits gegangen. Das BAG hat ausgeführt, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis Schwerbehinderte nach § 164 Abs. 4 SGB IX von ihrem Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen könnten. Dies gebe schwerbehinderten Menschen jedoch keine Beschäftigungsgarantie. Der Arbeitgeber könne eine unternehmerische Entscheidung treffen, die den bisherigen Arbeitsplatz des Schwerbehinderten durch eine Organisationsänderung entfallen lassen könne. Dessen besonderer Beschäftigungsanspruch sei dann erst bei der Prüfung etwaiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen.

Zum Sachverhalt:

Der schwerbehinderte Kläger war langjährig bei der insolventen Arbeitgeberin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt im Rahmen des erst in Eigenverwaltung betriebenen Insolvenzverfahrens, nachdem sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 InsO geschlossen hatte. Die Namensliste enthält den Namen des Klägers, dessen Arbeitsplatz wegen Umverteilung der noch verbliebenen Aufgaben nicht mehr besetzt werden musste. Die Hilfstätigkeiten, die er verrichtete, werden nunmehr von den verbliebenen Fachkräften miterledigt. Andere Tätigkeiten kann der Kläger nicht ausüben. Er hält die Kündigung dennoch für unwirksam und hat sich auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz sowie den Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX aF berufen.

Die Kündigungsschutzklage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung hat hiernach auch nach Auffassung des BAG das Arbeitsverhältnis beendet. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz zeige gemäß § 113 Satz 1 InsO keine Wirkung. Hiergegen bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX aF komme mangels geeigneter Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht zum Tragen. Die Arbeitgeberin war nicht verpflichtet, für den Kläger einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten, den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigt.

Das bedeutet, dass der Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen dort ihre Grenzen findet, wo ein Arbeitgeber aufgrund einer Umorganisation des Betriebs ein Arbeitsplatz wegfällt und keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten für den schwerbehinderten Menschen bestehen.

Quelle: Pressemitteilung 21/19 (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18)