LG Bonn, Haftung nach der CIM in Verbindung mit den Grundsätzen über Verträge mit Schutzwirkung für Dritte, Urteil vom 01.10.2018 – Az. 19 O 120/17 –

In der vorgenannten Entscheidung ist es um die Haftung nach internationalem Eisenbahnrecht gegangen. Die diesbezügliche Haftung ist in der CIM (Einheitliche Rechtsvorschriften für die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern) geregelt. Das Landgericht hat zunächst ausgeführt, dass die Haftung des Beförderers nach Art. 23 § 1 CIM grundsätzlich voraussetze, dass zwischen dem Anspruchsteller und dem Beförderer ein Beförderungsvertrag nach Art. 6 § 1 CIM bestehe. Aus Art. 1 § 1 CIM folge, dass die Vorschriften der CIM in personeller Hinsicht nur für die Parteien eines Beförderungsvertrags gelten würden. In dem zu entscheidenden Fall fehlte es aber an einem solchen – unmittelbaren – Vertrag.

Die Klägerin könne jedoch selbst Ansprüche geltend machen in Verbindung mit den Grund-sätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, wenn sie in den Schutzbereich des Beförderungsvertrags einbezogen sei. Das Landgericht meint, dass die Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf den Beförderungsvertrag zwischen der Beklagten und dem nicht am Beförderungsvertrag beteiligten Anspruchsteller anwendbar seien. Grund für die Herausbildung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wäre die Unzulänglichkeit des Deliktsrechts, insbesondere die unbefriedigende Regelung der Gehilfenhaftung in § 831 BGB und das Fehlen eines umfassenden Vermögensschutzes. Dabei könne auch ein Frachtvertrag ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Eigentümers der Ware sein. Hierfür spreche vor allem, dass Frachtführer häufig selbständige Subunternehmer einsetzen, die nicht als Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB gelten, weswegen der Eigentümer der Ware dem Schutz des § 278 BGB bedürfe. Außerdem treffe den gewerblichen Frachtführer kraft seines Berufes eine besondere Verpflichtung, fremdes Eigentum, das im Rahmen seines Gewerbes in seine Obhut gelange, sorgsam zu behandeln und zwar auch gegenüber dem Eigentümer, der nicht Vertragspartner sei. Diese Wertungen seien wegen der vergleichbaren Interessenlage auf grenzüberschreitende Beförderungsverträge, die der CIM unterfallen, übertragbar. Den Beförderer treffe auch hier die Obliegenheit, fremdes Eigentum, das in seine Obhut gelangt sei, sorgsam zu behandeln. Daher würde der bloße Eigentümer über das Deliktsrecht nur unzureichend geschützt. Das Deliktsrecht bleibe hinter dem vertraglichen Anspruch aus Art. 23 § 1 CIM zurück. Das gelte sowohl in Bezug auf den Haftungsmaßstab, da Art. 23 § 1 C IM eine verschuldensunabhängige Obhutshaftung des Beförderers begründe, als auch in Bezug auf die Einschaltung selbständiger Subunternehmer, da gemäß Art. 27 § 1 CIM die Verantwortlichkeit des Beförderers für die gesamte Beförderung auch in dem Fall fortbestehe. Es sei nicht erkennbar, dass die Mitgliedsstaaten des Übereinkommens eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Beförderungsvertrages unter den strengen Kriterien des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bewusst ausschließen wollten.

Hiernach können auch Dritte im Anwendungsbereich der CIM, die den Beförderungsvertrag nicht selbst abgeschlossen haben, Ansprüche gegenüber dem Frachtführer geltend machen. Die Anspruchsgrundlage ist in dem Vertragsverhältnis selbst zu suchen, ähnlich dem Rechtsinstitut der Drittschadensliquidation.

U.S.