LAG Mecklenburg-Vorpommern – Außerordent-liche Kündigung wegen Drohung mit Krank-schreibung, Urteil vom 04.05.2021, Az. 5 Sa 319/20

In dieser Sache hatte die klagende Mitarbeiterin einer Bäckereikette ihre Vorgesetzte gebeten, sie in einer bestimmten Woche nicht in der Spätschicht einzuteilen. Nachdem diesem Wunsch nicht entsprochen wurde, hat die Klägerin ihrer Vorgesetzten per WhatsApp mitgeteilt, sich in dieser Woche krankzumelden. Sie suchte nochmals das Gespräch mit ihrer Vorgesetzten, um eine Änderung des Dienstplans zu erreichen. Hierzu ist es jedoch nicht gekommen, weshalb die Klägerin dann konkret angekündigt hat, sich in besagter Woche krankschreiben zu lassen. Die Klägerin suchte später einen Arzt auf und erhielt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Diagnose F 32.9 G (Depressive Episode, nicht näher bezeichnet). Der beklagte Arbeitgeber erklärte hierauf die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung.

Das LAG hat hierzu grundsätzlich festgestellt, dass die Drohung, sich krankschreiben zu lassen, falls die Schichteinteilung nicht wie gewünscht erfolge, eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar-stelle, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liege in erster Linie darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringe, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Mit einem solchen Verhalten verletze der Arbeitnehmer seine aus der Rücksichtnahmepflicht folgende Leistungstreuepflicht erheblich. Zugleich werde durch die Pflichtverletzung das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit und die Loyalität des Arbeitnehmers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt, so dass in einer solchen Erklärung regelmäßig auch ohne vorausgehende Abmahnung ein die außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigender verhaltensbedingter Grund zur Kündigung liege. Da der wichtige Grund zur Kündigung in der ausdrücklich oder konkludent erklärten Bereitschaft des Arbeitnehmers zu sehen sei, sich die begehrte Freistellung notfalls durch eine in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit zu verschaffen, komme es nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer später (zufällig) tatsächlich erkrankt oder nicht (BAG, Urteil vom 12.03.2009, Az. 2 AZR 251/07). Auch bei tatsächlich bestehender Erkrankung sei es dem Arbeitnehmer aufgrund des Rücksichtnahmegebots verwehrt, die Krankheit und ein sich daraus ergebendes Recht, der Arbeit fern zu bleiben, gegenüber dem Arbeitgeber als „Druckmittel“ einzusetzen, um den Arbeitgeber zu einem vom Arbeitnehmer gewünschten Verhalten zu veranlassen.

Die leichthin dahin gesagte Drohung „Ich mache krank“, wenn der Arbeitnehmer mit ihn treffenden Entscheidungen des Arbeitgebers, etwa bei der Schicht- oder der Urlaubsplanung, nicht einverstanden ist, kann daher grundsätzlich für den betreffenden Arbeitnehmer erhebliche Konsequenzen haben. Interessant bei der Entscheidung ist, dass es auch auf eine spätere zufällige Erkrankung nicht ankommt. Vorliegend war durch die WhatsApp-Korrespondenz die Drohung dokumentiert. Problemtisch wird es für den Arbeitgeber, wenn eine solche Ankündigung nur mündlich erfolgt ist, da ihn die Darlegungs- und Beweislast trifft.

 U.S.