OLG München: Verjährung von Fracht, Urteil vom 14.04.2021 – Az. 7 U 5687/20

Die kurze transportrechtliche Verjährungsfrist (1 Jahr) beschäftigt auch im Kontext mit der Geltendmachung von Primärleistungsansprüchen, also solchen auf Zahlung von Fracht, die Gerichte immer wieder. Das OLG München stellt insofern unter Bezugnahme auf ein Urteil des BGH vom 22.04.2010, Az. I ZR 31/08, klar, dass die kurze Verjährung des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB bzw. des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR auch auf Primärleistungsansprüche anwendbar sei. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB bzw. des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR komme auch insofern ausnahmsweise nur bei Vorsatz oder bei einem dem Vorsatz nach § 435 HGB gleichstehenden Verschulden des Schuldners zum Tragen. Dass das OLG diese Klarstellung für erforderlich gehalten hat, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass hinsichtlich der transportrechtlichen Entgeltansprüche offenbar teilweise nach wie vor von der Geltung der dreijährigen Regelverjährungsfrist ausgegangen wird. Dabei ist anzumerken, dass die kurze transportrechtliche Verjährungsfrist auch auf andere Ansprüche im Zusammenhang mit transportrechtlichen Sachverhalten durchschlägt, etwa Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB).

Vorliegend war die einjährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Klageerhebung unstreitig bereits abgelaufen. Der beklagte Auftraggeber des Frachtführers hatte sowohl außer- als auch gerichtlich bereits die Einrede der Verjährung erhoben. Die Beklagte hatte die Zahlung der Fracht unter Hinweis auf eine vertragliche Fälligkeitsvereinbarung zurückgewiesen, wonach der klagende Frachtführer verpflichtet war, der Beklagten die vom Empfänger quittierten Original- Frachtpapiere zu übersenden hatte.   

Der erkennende Senat führt hierzu aus: Der Vorsatz hinsichtlich der Nichtzahlung entfalle, wenn der Schuldner aus welchen Gründen auch immer der Ansicht sei, nicht zu schulden, bereits aufgerechnet zu haben oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen zu können. Eine die Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auslösende vorsätzliche Nichtzahlung sei dem Schuldner erst dann vorzuwerfen, wenn er entgegen besserem Wissen die Existenz eines Anspruchs abstreite oder wider besseren Wissens behaupte, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden sei. Liege auf der Hand, dass die vom Schuldner für die Leistungsverweigerung genannten Gründe nur vorgeschoben seien, gebe es keinen vernünftigen Grund, ihm die Rechtswohltat der besonders kurzen Verjährung des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB zugute kommen zu lassen. Gleiches gelte im Rahmen des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR.

Der Senat kommt vorliegend zu dem Ergebnis, dass es an den Voraussetzungen fehle, ausnahmsweise zur Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist zu gelangen. So richtig die Ausführungen des Senats grundsätzlich sind, so fragwürdig ist, ob die Entscheidung vorliegend zutreffend ist: Im vorliegenden Fall hatte der Auftraggeber der Beklagten die zwischen diesen vereinbarte Fracht an die Beklagte gezahlt. Der Senat meint, selbst wenn die Zahlungsverweigerung rechtsmissbräuchlich gewesen wäre, wäre die Beklagte bei der Nichtzahlung aufgrund der buchstabengetreuen Anwendung der vertraglichen Fälligkeitsregelungen insoweit einem Rechtsirrtum über die Tragweite des § 242 BGB  unterlegen. Ein derartiger Rechtsirrtum schließe ein vorsätzliches Handeln der Beklagten im Sinne von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB aus.  

Was die Entscheidung aber zeigt, ist, dass eine enorm hohe Hürde zu nehmen ist, um zur Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB zu gelangen.

U.S.