LG Heidelberg, Ziffer 19 ADSp 2017, Urteil vom 29.08.2019, Az. 11 O 48/17 KfH

Bekanntermaßen wurden mit den ADSp 2017 diese neugefasst. Dabei ist dann die ein oder andere Unzulänglichkeit entstanden; so auch betreffend die in der Praxis äußerst bedeutsame Klausel der Ziffer 19 ADSp. Darin ist das Aufrechnungsverbot geregelt. Die Klausel lautet nunmehr

Gegenüber Ansprüchen aus dem Verkehrsvertrag und damit zusammenhängenden außervertraglichen Ansprüchen ist eine Aufrechnung oder Zurückbehaltung nur zulässig, wenn der Gegenanspruch fällig, unbestritten, entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt ist.

Gegen eine solche Klausel, bei der es sich wie allen anderen Klauseln der ADSp um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Wenn man jedoch den Wortlaut der aktuellen Klausel liest, fällt auf, dass an sich die „Fälligkeit“ der Gegenforderung schon ausreicht, um das Aufrechnungsverbot auszuhebeln. So steht letztlich die „Fälligkeit“ gleichrangig alternativ („oder“) neben etwa der „rechtskräftigen Feststellung“ der Gegenforderung. Bei wörtlicher Auslegung wird diese Klausel daher im Ergebnis völlig entwertet. In der Praxis verrechnet der Vertragspartner des Spediteurs regelmäßig angeblich ihm entstandene Schadensforderungen mit unstreitigen Entgeltforderungen. Genau das soll an sich durch Ziffer 19 ADSp verhindert werden. Eine Schadensforderung ist aber grundsätzlich sofort fällig, so dass nach dem Wortlaut des Aufrechnungsverbots dieses nicht zur Anwendung käme.

Das Landgericht Heidelberg hatte sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Die erkennende Kammer ist der Auffassung, dass Ziffer 19 ADSp nach dem Gesetzeszweck so auszulegen sei, dass zusätzlich zur Fälligkeit der Gegenforderungen, mit denen aufgerechnet werden solle, diese entweder unbestritten oder entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt worden sein müssen. Eine rein grammatikalische Auslegung greife nicht. Nach dem gesetzlichen Normalfall trete die Fälligkeit gemäß § 271 BGB unmittelbar ein, soweit nicht ein anderes vereinbart sei. Damit hätte der Verwender keinen hinreichenden Schutz vor unberechtigten Aufrechnungen. Zwar laute vorliegend die Verknüpfung der jeweiligen Adjektive fällig, unbestritten, entscheidungsreif, rechtskräftig festgestellt „oder“. Im Gegensatz zur Fälligkeit sei aber bei den weiter genannten Aufrechnungsvoraussetzungen die Berechtigung der Forderung weitestgehend sichergestellt. Würde lediglich auf die Fälligkeit abgestellt, obläge es dem Verwender nahezu in jedem Fall, seine Forderung klageweise durchzusetzen. Das sei aber eindeutig und erkennbar nicht das Ziel der Ziffer 19 der ADSp. An der Bedeutung der auslegungsfähigen Klausel bestünden danach keine Zweifel, welche nach Maßgabe des § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders gingen.

Die Auffassung des Landgerichts deckt sich mit der der Literatur, die die Formulierung der Ziffer 19 ADSp für ein Redaktionsversehen hält. Nach Auffassung von Koller, Transportrecht, 10. Auflage, 2020, Ziffer 19 ADSp, Rn. 3, und MüKo-Bahnsen, HGB, Band 7, 4. Aufl., 2020, ADSp, Rn. 589 ff., ist Ziffer 19 ADSp nach dem Gesetzeszweck so auszulegen, dass zusätzlich zur Fälligkeit der Gegenforderungen, mit denen aufgerechnet werden soll, diese entweder unbestritten oder entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt worden sein müssen. Bei wortgetreuer Auslegung würde diese Klausel völlig entwertet, so dass diese entsprechend korrigierend auszulegen sei.

Aus unserer Sicht ist jedoch problematisch, dass es sich bei den ADSp um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Gemäß § 305c Abs. 2 BGB gehen Unklarheiten von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders und damit vorliegend zu Lasten der Spediteure, die meist ausschließlich auf Basis der ADSp in der aktuellen Fassung arbeiten. Das Problem ist in Rechtsprechung und Literatur erkannt. Die bestehende Unklarheit lässt sich einfach durch eine entsprechende Änderung der jetzigen Klausel schaffen. Die ADSp 2017 sind jetzt schon vier Jahre alt. Weshalb das nicht längst geschehen ist, ist kaum zu verstehen.

U.S.