LG Dortmund, Wirksamkeit einer Klausel über den Ausschluss bekannter Vorerkran-kungen zum Zeitpunkt der Reisebuchung, Urteil vom 28.04.2022 – 2 S 13/21

Das Landgericht hatte sich in II. Instanz mit einer Klausel in einem Reiseversicherungsvertrag zu befassen, wonach Vorerkrankungen nicht versichert sind, sofern sie zum Zeitpunkt der Reisebuchung bekannt gewesen und in den letzten sechs Monaten behandelt worden sind, wobei Kontrolluntersuchungen nicht als Behandlungen gelten.

Die Kammer hat diese Klausel als wirksam erachtet und hierzu ausgeführt, dass die Klausel nicht gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam wäre. Eine unangemessene Benachteiligung liege vor, wenn eine Bestimmung mit dem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht zu vereinbaren sei. Gemäß § 19 Abs. 1 VVG habe der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrenumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich seien und nach denen der Versicherer in Textform gefragt habe, anzuzeigen. Hinter dieser Regelung stehe die Erwägung, dass der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss möglichst präzise erkennen können soll, in welchem Umfang Versicherungsschutz bestehe. Aus diesem Grund müsse der Versicherer vor Vertragsschluss gemäß §§ 19 Abs. 1, 32 VVG die relevanten Gefahrenumstände erfragen und sich darüber schlüssig werden, ob er überhaupt und gegebenenfalls mit welchen Abänderungen den Vertrag schließen möchte. Die Erfragung und Beurteilung gefahrenerheblicher Umstände sei nach diesem Leitbild dem Versicherer zugewiesen. § 32 S. 1 VVG verbiete den Vertragsparteien, von den Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abzuweichen.

Sofern die genannte Klausel bestimmte Erkrankungen, nämlich solche die bei Buchung der Reise bestanden und in den letzten sechs Monaten behandelt worden seien, ohne vorherige Risikoprüfung vom Versicherungsschutz ausnehme, sei dies mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 19 VVG vereinbar und stelle keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Entscheidend für die erkennende Kammer sei zunächst, dass die Klausel nicht jegliche Erkrankung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv vorgelegen habe, vom Versicherungsschutz ausnehme, sondern nur solche Erkrankungen, die dem Versicherungsnehmer bekannt wären und in den letzten sechs Monaten behandelt worden seien. Es handele sich somit nicht um einen pauschalen Leistungsausschluss für jegliche – auch dem Versicherungsnehmer unbekannte – Vorerkrankungen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse werde so verständlich und konkret über den bestehenden Leistungsumfang in Kenntnis gesetzt und bleibe gerade nicht im Unklaren über den bestehenden Versicherungsschutz. Er könne der Klausel auch ohne durchgeführte Risikoprüfung entnehmen, dass bereits bei Vertragsschluss bestehende behandlungsbedürftige Krankheiten, die die geplante Reise unzumutbar machen, nicht versichert seien. Dies entspreche der dargestellten Zielrichtung des § 19 VVG. Durch die Eingrenzung auf bekannte Vorerkrankungen beschränkt sich der Ausschluss zudem auf solche Erkrankungen, die der Versicherungsnehmer im Fall einer Risikoprüfung ohnehin hätte angeben müssen und die sodann zu einer Nichtannahme oder zu einem Ausschluss geführt hätten. Eine einzelfallbezogene Risikoprüfung bei einem Massengeschäft wie der Reiseversicherung sei in Anbetracht der nur kurzen Vertragslaufzeit, der geringen Prämie und des hohen Risikos im Sinne einer effizienten Abwicklung des Versicherungsgeschäfts nicht praktikabel und würde sich im Hinblick auf die Prämiengestaltung letztlich zu Lasten des Versicherungsnehmers auswirken, ohne diesem einen greifbaren Vorteil zu verschaffen.

Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht daraus, dass für den grundsätzlich versicherten Fall der unerwarteten Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung, durch die streitgegenständliche Klausel die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet werde. Eine Gefährdung des Vertragszweckes sei dann anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der Vertragszweck ausgehöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos werde. Die in Rede stehende Klausel beziehe grundsätzlich auch chronisch Erkrankte im Hinblick auf eine akute Verschlimmerung des Zustands in den Versicherungsschutz mit ein. Lediglich dann, wenn eine bekannte Grunderkrankung in den letzten sechs Monaten vor Reisebuchung behandelt werden musste, entfalle der Versicherungsschutz. Bei fehlender Reisefähigkeit wegen aller anderen Krankheiten greife die Versicherung, sodass selbst für den Fall das einzelne Vorerkrankungen ausgeschlossen seien eine Gefährdung des Versicherungszwecks im Sinne einer vollständigen Aushöhlung nicht vorliege. Es handele sich vielmehr um eine zulässige Leistungsbegrenzung des Versicherers im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit.

U.S.