BGH, Urteil vom 27.10.2022, Az. I 139/21, Beförderungsvertrag mit Geltung der ADSp 2017: Höchstbetrag der Haftung des Spedi-teurs für Beschädigungen des Transportguts bei grenzüberschreitenden multimodalen Be-förderungen unter Einschluss einer Seestre-cke und bei unbekanntem Schadensort, Urteil vom 27.10.2022, I 139/21-

Der erkennende Senat hatte sich mit einem Urteil des OLG Stuttgart vom 25.08.2021, Az. 3 U 287/20, zu befassen, das für einige Aufregung gesorgt hat. Gegenstand der Entscheidung war eine multimodale Beförderung unter Einschluss einer Seestrecke und die Frage der Anwendbarkeit von Ziffer 23.1.2 und Ziffer 23.2 ADSp. Das OLG Stuttgart war im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis gelangt, dass Ziffer 23.1.2 ADSp auf die vorgenannte Konstellation schon deshalb nicht zur Anwendung gelangen würde, da diese Klausel nur auf nationale Transporte anwendbar sei, nicht aber auf internationale Beförderungen unter Einschluss einer Seestrecke. Dies ergebe sich bei systematischer und teleologischer Auslegung dieser Klausel. Dem Wortlaut zufolge gelte bei einer Seebeförderung sowie bei grenzüberschreitenden Beförderungen gemäß Ziffer 23.2 ADSp 2017 der gesetzlich festgelegte Haftungshöchstbetrag. Dies führe dazu, dass Ziffer 23.1.2 ADSP 2017 nur für nationale Transporte gelte. Diese Auslegung ist nicht unerheblich: Bei Ziffer 23.1.2 ADSp beträgt der Haftungshöchstbetrag 2 Sonderziehungsrechte/kg, gemäß Ziffer 27.2 ADSp jedoch auf 8,33 Sonderziehungsrechte/kg. 

Die Entscheidung des OLG Stuttgart hatte in der Literatur sowohl Zuspruch als auch Ablehnung gefunden.

Nun hat der I. Senat in der genannten Entscheidung hierzu Stellung genommen. Hiernach gelten für die Haftung des Spediteurs für Beschädigungen des Transportguts bei grenzüberschreitenden multimodalen Beförderungen allein für nicht grenzüberschreitende, innerdeutsche Beförderungen unter Einschluss einer Seestrecke bei unbekanntem Schadensort ein Haftungshöchstbetrag von 2 Sonderziehungsrechten für jedes kg gemäß Ziffer 23.1.2 Satz 1 ADSp 2017, wenn die Parteien des Frachtvertrages die Geltung der ADSp 2017 vereinbart haben. Im Unterschied zur Auffassung des OLG Stuttgart sei Ziffer 23.1.2 ADSp gegenüber 23.2 Satz 1 Fall 2 ADSp 2017 lex specialis.

Der Senat führt hierzu u.a. aus, dass aus dem Regelungszusammenhang zweifelsfrei hervorgehe, dass es sich bei Ziffer 23.1.2 Satz 1 ADSp 2017 um eine Spezialvorschrift handele, die im Fall grenzüberschreitender Multimodaltransporte mit Seestrecke bei unbekanntem Schadenort der Regelung in Ziffer 23.2 Satz 1 Fall 2 ADSp 2017 vorgehe. Der angesprochene Verkehr werde bei der Lektüre der beiden in Rede stehenden Regelungen in Ziffer 23.1.2 Satz 1 und Ziffer 23.2 Satz 1 Fall 2 ADSp 2017 nicht annehmen, dass die Regelung in Ziffer 23.2 Satz 1 Fall 2 ADSp 2017 eine Rückausnahme zu Ziffer 23.1.2 Satz 1 ADSp 2017 darstelle, die den ohnehin eingeschränkten Anwendungsbereich dieser Regelung auf Multimodaltransporte mit Seestrecke bei unbekanntem Schadenort weitergehend auf innerstaatliche Beförderungen einenge. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs von Ziffer 23.1.2 Satz 1 ADSp 2017 würden die beteiligten Verkehrskreise direkt in dieser Regelung erwarten. Da eine solche Einschränkung fehle, sei die in Ziffer 23.1.2 Satz 1 ADSp 2017 vorgesehene Haftungsbegrenzung dahin zu verstehen, dass sie allgemein Multimodaltransporte unter Einschluss einer Seestrecke mit unbekanntem Schadenort erfasse, und zwar sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Multimodaltransporte.

Der Senat hat damit nun für Klarheit gesorgt. Es bleibt nun dabei, dass auch unter Geltung der ADSp 2017 bei multimodalen Transporten unter Einschluss einer Seestrecke bei unbekanntem Schadensort die Haftung auf 2 Sonderziehungsrechte pro kg beschränkt ist. Die Frage nach einer Haftungsdurchbrechung bleibt hiervon unberührt.

U.S.