OLG Düsseldorf, Voraussetzungen der qualifi- zierten Haftung für einen Transportschaden, Urteil vom 07.10.2020, 18 U 46/19

In der vorgenannten Entscheidung ist es um die Frage der Annahme eines qualifizierten Verschuldens im Zusammenhang mit einem Diebstahl von Ware aus einem LKW gegangen. Wie häufig hat eine Transportkette vorgelegen. Der beauftragte Hauptfrachtführer hat den ihm erteilten Beförderungsauftrag nicht selbst ausgeführt, sondern da- mit einen Dritten beauftragt.

Der Sachverhalt kurz und knapp: Die Beklagte war beauftragt worden, Waren in Mönchengladbach für verschiedene Empfänger zu übernehmen und auszuliefern. Sie hat damit einen Subunternehmer beauftragt. Gegenstand der Sendung waren u.a. 147 Kartons für einen Empfänger in Frankreich. Bei Ankunft in Frankreich wurde festgestellt, dass 47 Kartons fehlten. Unstreitig wurde die CMR-Regelhaftung an den klagenden Auf- traggeber gezahlt. Gegenstand des Rechtsstreits ist die darüber hinausgehende unbeschränkte Haftung.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben mit der Begründung, dass die Beklagte qualifiziert hafte. Die Streithelferin der Beklagten hatte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass ihr Fahrer das auf dem LKW befindliche Transportgut am 17.10.2016 um 17:05 Uhr übernommen und bis zu dem in Rede stehenden Parkplatz in Mons, Belgien, transpor- tiert habe. Wären die Türen des Aufliegers mit ei- nem Schloss verriegelt gewesen, hätte dies den Diebstahl nicht verhindert, da es sich um einen Planen-Lkw gehandelt habe. Die Tour sei sorgfäl- tig geplant gewesen. Der Rastplatz sei nicht be- sonders diebstahlsgefährdet.

Der erkennende Senat hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen, da der Beklagten der Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens nicht zur Last zu legen sei und führt hierzu nachfolgendes auch grundsätzlicher Art aus:

Grundsätzlich trage der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dem Anspruchsgegner ein qualifiziertes Verschulden an- zulasten sei. Die ihm obliegende Darlegungslast erfülle er dann, wenn sein Klagevortrag nach den Umständen des Falles ein qualifiziertes Verschul- den nahe lege und allein der Anspruchsgegner in zumutbarer Weise zu der Aufklärung des in sei- nem Bereich entstandenen Schadens beitragen könne. Das gelte auch, wenn sich aus dem unstreitigen Sachverhalt Anhaltspunkte für ein entsprechendes Verschulden ergeben. Könne der Frachtführer nichts oder nicht ausreichend dazu vortragen, welche Umstände seines Wissens zum Schaden geführt haben und welche Schadensursachen er ermitteln konnte, werde die Behauptung eines Organisationsverschuldens widerleglich als zutreffend vermutet. Soweit so bekannt!

Sodann führt der Senat aus, dass es von den Umständen des Einzelfalles abhänge, welche Sicherheitsvorkehrungen der Transportunternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung, das ihm anvertraute Transportgut während der Beförderung vor Diebstahl oder Raub zu bewahren, er- greifen müsse. Je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen Risiken seien, desto höhere Anforderungen seien an die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. Von erheblicher Bedeutung sei dabei, ob das transportierte Gut leicht verwertbar und damit besonders diebstahlsgefährdet sei, welchen Wert es habe, ob dem Frachtführer die besondere Gefahrenlage bekannt war oder sein musste und welche konkreten Möglichkeiten einer gesicherten Fahrtunterbrechung es gegeben habe, um vorgeschriebene Ruhezeiten einzuhalten.

Ohne einen besonderen Auftrag bestehe nach Auffassung des Senats bei nicht diebstahlsgefähr- deter Ware oder bei Unkenntnis vom Transport solcher Ware keine generelle Verpflichtung, eine Sicherheitsmaßnahme durch Verwendung eines Koffer-Lkws zu ergreifen (BGH, Urteil vom 01.07.2010 – I ZR 176/08). Gleiches gelte für das Abstellen eines Planen-Lkws über Nacht auf ei- nem einfachen Parkplatz (BGH, Urteil vom

13.12.2012 – I ZR 236/11; OLG München, Urteil vom 28.10.2015 – 7 U 4228/14). Die zulässige Verwendung eines Planen-Lkws beinhalte immer, dass der Lkw durch die Planen seitlich zugänglich sei und sehr häufig ein Diebstahl durch Aufschieben oder Aufschlitzen der Planen durchgeführt werde, das Transportgut also letztlich unverschlossen bleibe. Zu letzterem führt der Senat explizit aus:

Durfte also ein Planen-Lkw zulässigerweise eingesetzt werden, weil keine anderweitige Anweisung bestand und der Frachtführer aufgrund mangelnder Kenntnis einer besonderen Diebstahlsgefährdung der zu transportierenden Ware nicht von sich aus gehalten war, einen Koffer-Lkw einzusetzen oder besondere Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, was hier der Fall ist, ist nicht auch festzustellen, dass das Nichtverschließen der hinteren Portaltüren in dem Bewusstsein geschieht, dass dem anderen Teil ein besonderer Schaden droht.

Es scheint sich der Paradigmenwechsel der obergerichtlichen Rechtsprechung zu Diebstählen aus LKWs abzuzeichnen. Gemäß einer nicht veröffentlichten Entscheidung des OLG Celle vom 19.09.2019, Az. 11 U 1/19, hatte auch der dortige Senat ein Überschreiten der Schwelle der Leichtfertigkeit nicht gesehen. In letzterer Entscheidung hatte der ausführende Frachtführer den Auflieger über einen Zeitraum von drei Tagen vor ihrem Betriebssitz abgestellt, obwohl die darin befindliche Ware auch schon früher hätte eingelagert werden können. Ferner war der Auflieger nicht mit einem Königszapfen gesichert, um einen Diebstahl des LKWs zu verhindern. Das bloße Abstellen des Aufliegers sei nicht besonders vorwerfbar, da ein Zeuge bekundet habe, dass es während seiner 20- jährigen Berufszeit nicht vorgekommen sei, dass ein Auflieger komplett mit Waren gestohlen worden sei. Der Senat hat viel zugunsten des klagenden Geschädigten angenommen, kommt dann aber im Rahmen einer Gesamtabwägung doch zu dem Ergebnis, dass ein qualifiziertes Verschulden nicht feststellbar sei.

Ob sich dieser Trend fortsetzen wird, werden wir beobachten.

U.S.