LG Mannheim, Verkehrshaftungsversicherung – Versicherungsumfang, Urteil vom 19.09.2022, Az. 24 O 13/22-

Vorliegend hatte die Klägerin als Versicherungsnehmerin eines mit der Beklagten als führendem Versicherer und weiteren Versicherern geschlossenen Verkehrshaftungsversicherungsvertrages auf Grundlage der SLVS-Plus Versicherungsbedingungen auf Deckung geklagt.

Die Versicherungsbedingungen (VB) enthielten u.a. folgende Besondere Bestimmungen:

„…

5. Versicherte Haftung

5.1 Versichert ist auf Basis der Betriebsbeschreibung die verkehrsvertragliche Haftung des Versicherungsnehmers nach Maßgabe …

5.2 Versichert ist außerdem die außervertragliche Haftung des Versicherungsnehmers und/oder seiner Arbeitnehmer und Repräsentanten aus unerlaubter Handlung (Deliktsrecht), sofern sie der aus dem Verkehrsvertrag Berechtigte neben oder anstelle der vertraglichen Haftung geltend macht.

7. Umfang des Versicherungsschutzes und Subsidiarität

7.1 Die Leistungsverpflichtung des Versicherers umfasst die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche, die gegen den Versicherungsnehmer als Auftragnehmer eines Verkehrsvertrages erhoben werden.

7.2. Der Versicherer ersetzt die notwendigen und den Umständen nach gebotenen Aufwendungen zur Abwendung eines unmittelbar drohenden und zur Minderung eines vom Versicherer zu ersetzenden Schadens.

7.3 Der Versicherer erstattet dem Versicherungsnehmer

7.3.1 die aufgewendeten Beförderungsmehrkosten aus Anlass einer Fehlleitung, wenn sie zur Verhütung eines ersatzpflichtigen Schadens erforderlich waren.

9. Ausschlüsse

Ausgeschlossen vor Versicherungsschutz sind Haftungsansprüche

9.1 wegen vorsätzlichen Herbeiführens des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer oder einen seiner Repräsentanten;

9.13 aus Schäden wegen vorsätzlicher Nichterfüllung des Verkehrsvertrages durch den Versicherungsnehmer;

12.2 Wird eine Obliegenheit vom Versicherungsnehmer oder einem seiner Repräsentanten vorsätzlich verletzt, ist der Versicherer leistungsfrei. …

Die Klägerin macht gegenüber dem verklagten Verkehrshaftungsversicherer Beförderungsmehrkosten in Höhe von 300.000,00 € geltend, die sie an ihren Auftraggeber gezahlt habe. Der hatte die Klägerin in Anspruch genommen, weil diese den Frachtvertrag – vorsätzlich – nicht erfüllt hatte, wodurch Beförderungsmehrkosten entstanden seien. Die Klägerin ist der Auffassung, es bestehe hierfür Versicherungsschutz nach Ziffer 5 VB Besondere Bestimmungen. Sie sei von ihrem Auftraggeber aus einem Verkehrsvertrag auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden. Dieser habe zum einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß §§ 280 Abs.3, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB und zum anderen wegen nicht sorgfältiger Auswahl des Unterverfrachters aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, geltend gemacht. Diese Schadensersatzansprüche seien solche im Sinne der Ziffer 7.1. VB Besondere Bestimmungen. Versicherungsschutz bestehe auch für Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung, wie sich aus der Ausschlussklausel 9.13 VB Besondere Bestimmungen ergebe, der einen Ausschluss nur für die vorsätzliche Nichterfüllung des Vertrags vorsehe. Auch aus Ziffer 7.3.1. VB Besondere Bedingungen ergebe sich, dass Nichterfüllungsansprüche grundsätzlich mitversichert seien. Sie habe die Beförderung nicht willentlich verweigert.

Die beklagte Versicherung hat die Ansprüche zurückgewiesen, da es sich insoweit nicht um einen unter dem Vertrag versicherten Eigenschaden handele. Sie ist der Auffassung, dass für Schadensersatzansprüche wegen willentlicher Nichterfüllung kein Versicherungsschutz bestehe. Der angemeldete Schaden sei wegen vorsätzlicher Nichterfüllung des Beförderungsvertrages nach Ziffer 9.1., 9.13 der VB Besondere Bestimmungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Da sich die Klägerin bewusst dafür entschieden habe, den Weitertransport nicht auf eigenen Kosten durchzuführen, könne der infolgedessen von dem Auftraggeber geltend gemachte Nichterfüllungsschaden ebenfalls nicht versichert sein. Aus Ziffer 7.1.3 ergebe sich auch nicht, dass Nichterfüllungsschäden grundsätzlich versichert seien. Im Gegenteil handele es sich hierbei um die Regelung eines ausnahmsweise versicherten Nichterfüllungsschadens, die deshalb explizit erfolgen müsse, weil Nichterfüllungsschäden grundsätzlich nicht versichert seien.

Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Während sich die Parteien über die Frage der willentlichen Nichterfüllung gestritten haben, kommt es für die Kammer hierauf gar nicht an: Es bestehe kein versicherungsvertraglich geschuldeter Deckungsschutz. Versicherungsschutz in einer Verkehrshaftungsversicherung bestehe grundsätzlich nicht für Vertragserfüllungskosten und infolgedessen auch nicht für Schadensersatzansprüche statt der Leistung wegen Nichterfüllung des Vertrages, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Verkehrshaftungsversicherung um eine Eigenversicherung oder um eine Fremdversicherung handele. Versichert sei die fehlerhafte Erfüllung von Verkehrsverträgen, jedoch beschränkt auf die sekundäre Schadenersatzpflicht für Verlust, Beschädigung, Lieferfristüberschreitung und reine Vermögensschäden. Die Haftung aus der primären Leistungspflicht sei nicht Gegenstand der Verkehrshaftungsversicherung. Erfüllungskosten seien grundsätzlich vom Auftragnehmer eines Verkehrsvertrages zu tragen und nur in ausdrücklich vereinbarten Ausnahmefällen versichert. Die sonstigen der Risikosphäre des Auftragnehmers zugeordneten Vertragserfüllungskosten würden auch dann nicht zu einem Anspruch aus verkehrsvertraglicher Haftung führen, wenn sie von dem Auftraggeber des Versicherungsnehmers als Nichterfüllungsschaden an ihn herangetragen werden. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung wegen schlichter Nichterfüllung des Vertrages stelle sich nicht als die Realisierung der versicherten Gefahr an Transportmitteln oder Transportgütern während der Bewegung oder Bewegungsbereitschaft dar. Der Umstand, dass die Verkehrshaftungsversicherung bis zur Transportrechtsreform als Versicherung für fremde Versicherung ausgestaltet gewesen sei und nunmehr als Eigenversicherung, führe nicht zu einer Erweiterung des Versicherungsschutzes auf primäre Erfüllungsansprüche und aus deren Verletzung resultierende Schadensersatzansprüche statt der Leistung, was sich auch nicht aus den Versicherungsbedingungen ergebe.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kammer zu dem gut begründeten Ergebnis gelangt ist, dass Versicherungsschutz grundsätzlich nicht für Vertragserfüllungskosten und demgemäß auch nicht für Schadensersatzansprüche statt der Leistung wegen Nichterfüllung des Vertrages und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Verkehrshaftungsversicherung um eine Eigenversicherung oder um eine Fremdversicherung handele, besteht.U.S.