Arbeitsrecht

BAG, Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19

In Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH hat der erkennende Senat folgendes entschieden: Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies folge aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG. Grundsätzlich erlöschten Urlaubsansprüche nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen...

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Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 01.01.2023 und elektronische Arbeitsbescheinigungen ab dem 01.01.2023

Nach mehreren Verschiebungen ist die bisherige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform ab dem 01.01.2023 durch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzt werden. Künftig werden die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen direkt digital an die jeweilige Krankenkasse übermittelt. Arbeitgeber müssen die Bescheinigungen über geeignete Schnittstellen digital bei der jeweiligen Krankenkasse abrufen. Dies muss aktiv im Einzelfall durch die Arbeitgeber erfolgen, da keine automatische Übermittlung stattfindet. Durch diese Neuregelung entfällt lediglich die Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Pflichten der Arbeitnehmer zur Krankmeldung und zum rechtzeitigen Aufsuchen eines Arztes zwecks Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bleiben unberührt. Allerdings bleibt es weiterhin bei der bisherigen Papierform, sofern Arbeitnehmer privat krankenversichert sind oder...

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BAG, Annahmeverzug nach Vorlage eines negativen Corona Tests, Urteil vom 10.08.2022, Az. 5 AZR 154/22

Vorliegend hatte der beklagte Arbeitgeber ein Hygienekonzept zum Infektionsschutz erarbeitet, das für Arbeitnehmer, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltanspruch angeordnet hatte. Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16.06.2020 hatte nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vorgesehen. Diese sollte jedoch nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügen, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen. Der klagende Arbeitnehmer war wegen des Todes seines...

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BAG, Darlegungs- und Beweislast bei Streit über Überstundenvergütung, Urteil vom 04.05.2022 – Az. 5 AZR 359/21

Das BAG hat mit der vorgenannten Entscheidung klargestellt, dass der Arbeitnehmer, der Vergütung für geleistete Überstunden verlangt, hierfür darlegungs- und beweispflichtig ist. Erstens habe der Arbeitnehmer darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten habe. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen müsse, habe der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt habe. An diesen Grundsätzen habe die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems nichts geändert. Vorliegend hatte der klagendende Arbeitnehmer ohne Pausenzeiten durchgearbeitet....

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Arbeitsrecht: Neue Corona-Arbeitsschutzverordnung ab dem 01.10.2022 in Kraft

Mit Blick auf einen von der der Bundesregierung ab Herbst 2022 prognostizierten signifikanten Anstieg der Infektionszahlen wurde eine neue Corona-Arbeitsschutzverordnung erlassen, die am 01.10.2022 in Kraft getreten ist. Diese sieht eine Verpflichtung der Arbeitgeber vor, bei Vorliegen einer „Gefährdungsbeurteilung“ betriebliche Hygienekonzepte zu erstellen und entsprechende Corona-Schutzmaßnahmen umzusetzen. Ferner ist die Möglichkeit von Homeoffice-Tätigkeiten zu prüfen, sofern dem keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Im Einzelnen verweisen wir auf: https://www.bmas.de/DE/Sevice/Presse/Pressemitteilungen/2022/corona-arbeitsschutzverordnung-neu.html. U.S. ...

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Arbeitsrecht: Neues Nachweisgesetz ab dem 01.08.2022 in Kraft

Mit der Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie der EU in nationales Recht werden insbesondere Änderungen im Nachweisgesetz vorgenommen. Hiernach ist der Arbeitgeber verpflichtet, die wesentlichen Bedingungen des jeweiligen Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen. Dabei gilt eine strenge Schriftform; die elektronische Form ist nicht ausreichend. Die Änderungen gelten ab dem 0108.2022 und entfalten sowohl für neue als auch für bestehende Arbeitsverträge Wirkung. Besonders hervorzuheben sind hier neue Informationspflichten zum Kündigungsschutzverfahren. Der Arbeitgeber muss über das einzuhaltende Verfahren inklusive Kündigungsfristen und die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage informieren. Ferner muss der Arbeitgeber auf die Dauer der Probezeit, sofern diese vereinbart wurde, auf die Möglichkeit der...

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BAG, Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer, Urteil vom 01.06.2022, Az. 5 AZR 28/22

Das BAG hat in einer neuen Entscheidung festgestellt, dass der Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sei, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen. Der Arbeitgeber hatte im Rahmen seines betrieblichen Hygienekonzepts vorgesehen, dass die Beschäftigten in Risikogruppen eingeteilt werden und je nach Gruppe die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen bestanden hat. Alle Mitarbeiter sollten einen negativen PCR-Test vorlegen und in der Folge weitere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Hierfür wurden kostenlose PCR-Tests angeboten, alternativ konnten die Mitarbeiter PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen. Den...

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BAG, Gebot fairen Verhandelns bei Ab-schluss eines Aufhebungsvertrages, Urteil vom 24.02.2022, Az. 6 AZR 333/21

Das Bundesarbeitsgericht hatte über nachfolgenden Sachverhalt zu entscheiden: Arbeitnehmerin und Arbeitgeber hatten am 22.11.2019 einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Zuvor hatte am gleichen Tage ein Gespräch stattgefunden, an dem neben der Arbeitsnehmerin und dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin der die Arbeitgeberin beratende Rechtsanwalt teilgenommen hatten. Gegenüber der Arbeitnehmerin wurde der Vorwurf erhoben, dass diese unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Arbeitgeberin abgeändert bzw. reduziert haben soll, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Die Arbeitgeberin unterzeichnete nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, den von der Arbeitgeberin vorbereiteten Aufhebungsvertrag, der u.a. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum...

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LAG Köln, Urlaub trotz Corona-Quarantäne-Anordnung, Urteil vom 13.12.2021, Az. 2 Sa 488/21

Das LAG hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich ein Arbeitnehmer Urlaubstage anrechnen lassen muss, wenn er wegen einer behördlich angeordneten Quarantäne keine Arbeitsunfähigkeitsentscheidung vorlegt. Die betroffene Arbeitnehmerin hatte auf Nachgewährung von fünf Urlaubstagen geklagt. Diese fünf Tage hatte sie als Kontaktperson ersten Grades ihres an Corona erkrankten Kindes in häuslicher Quarantäne verbracht. Weiter hatte sie ausgeführt, dass ein positiver Test vorgelegen, sie aber keine Symptome gehabt und auch keine Arbeitsunfähigkeitserscheinung erhalten habe. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass § 9 BUrlG zwar vorsähe, dass Tage der Arbeitsunfähigkeit auf­grund einer Erkrankung nicht auf den Jahres­urlaub angerechnet...

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BAG, Erschütterung des Beweiswerts einer AU-Bescheinigung, Urteil vom 08.09.2021, Az. 5 AZR 149/21

In der genannten Entscheidung ist es um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, kurz: AU-Bescheinigung, gegangen. Wird ein Arbeitnehmer infolge einer Krankheut arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, hat er gemäß § 3 Abs. 1 EFZG einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, längstens bis zu sechs Wochen. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitnehmer durch Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung zu belegen. Vorliegend hatte die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und legte ihrer Arbeitgeberin eine auf das gleiche Datum datierende AU-Bescheinigung vor. Die sich hieraus ergebende Dauer der Arbeitsunfähigkeit fiel mit dem Ablauf der Kündigungsfrist zusammen. Die Arbeitgeberin weigerte...

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