Autor:Usama Sabbagh

BAG, Offene Videoüberwachung – Verwer-tungsverbot, Urteil vom 29.06.2023, 2 AZR 296/22

Das BAG hatte sich mit nachfolgendem Sachverhalt zu beschäftigen: Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Teamsprecher in der Gießerei beschäftigt. Die Beklagte hatte dem Kläger u.a. vorgeworfen, eine sog. Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, sie gleichwohl vergütet zu bekommen. Nach seinem eigenen Vorbringen habe der Kläger zwar an diesem Tag zunächst das Werksgelände betreten. Die auf einen anonymen Hinweis hin erfolgte Auswertung der Aufzeichnungen einer durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera an einem Tor zum Werksgelände hatte nach dem Vortrag der Beklagten aber ergeben, dass der Kläger dieses noch vor Schichtbeginn...

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OLG Schleswig, Haftung bei Transporten in Zusammenhang mit § 115 VVG. – Urteil vom 05.06.2023, Az. 16 U 195/22 –

In der vorgenannten Entscheidung hatte ein Assekuradeur für die Transportversicherer die Verkehrshaftungsversicherung eines insolventen Frachtführers wegen eines Verlustschadens in Anspruch genommen. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG kann der Dritte seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Hintergrund des Schadensfalls war, dass der insolvente Frachtführer einen Aushilfsfahrer mit bekannten Geldproblemen, der dem Frachtführer berichtet hatte, dass er von zwielichtigen Personen zu einem vorgetäuschten Raubüberfall gedrängt werde und diese Personen ihn bedrohten, falls er von diesem Vorschlag erzähle, eingesetzt hatte, um Ware mit bekanntermaßen erheblichem Diebstahlsrisiko – Zigaretten...

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BGH, Mahnung reine Förmelei, Urteil vom 20.04.2023 – I ZR 140/22

Der I. Senat hatte es mit nachfolgendem Sachverhalt zu tun: Der beklagte Frachtführer hatte sich dazu verpflichtet, Produktionsteile zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verschiffen. Im Rahmen des geschuldeten Seetransports nach Mexiko habe die frachtvertragliche Hauptleistungspflicht darin bestanden, die Güter über See zum Bestimmungsort zu befördern und dem Empfänger abzuliefern. Für die Seebeförderung sei eine Dauer von 19 Tagen eingeplant gewesen. Bei planmäßiger Verschiffung wäre die Ablieferung frühestens am 13. Juli 2017 fällig gewesen. Die Beklagte hatte der Versicherungsnehmerin sodann mitgeteilt, dass die Container wegen eines Maschinenschadens nicht wie geplant verladen werden konnten und stattdessen auf ein anderes Motorschiff verladen werden würden,...

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BGH, Reiserücktrittkostenversicherung: Ersatz-fähigkeit eingesetzter Bonusmeilen, Urteil vom 01.03.2023 – IV ZR 112/22

Vorgenannter Entscheidung hat nachfolgender Sachverhalt zugrunde gelegen: Im August 2019 buchte der Kläger bei einer Fluggesellschaft Hin- und Rückflüge von Deutschland in die USA, die er mit Bonusmeilen aus einem von der Fluggesellschaft angebotenen Bonusprogramm bezahlte. Aufgrund einer Erkrankung stornierte der Kläger die Flugreise. Die von ihm eingesetzten Bonusmeilen wurden infolge des Nichtantritts der Flugreise nicht erstattet. Nach Auffassung des Berufungsgerichts seien dem Kläger keine Rücktrittskosten im Sinne von § 1 Nr. 1 Buchst. a ABRV entstanden. Maßgeblich sei, dass Bonusmeilen nicht in dem Sinne handelbar seien, dass es für sie einen Markt gebe, auf dem sie gekauft und verkauft werden könnten. So wie...

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BGH, Urteil vom 27.10.2022, Az. I 139/21, Beförderungsvertrag mit Geltung der ADSp 2017: Höchstbetrag der Haftung des Spedi-teurs für Beschädigungen des Transportguts bei grenzüberschreitenden multimodalen Be-förderungen unter Einschluss einer Seestre-cke und bei unbekanntem Schadensort, Urteil vom 27.10.2022, I 139/21-

Der erkennende Senat hatte sich mit einem Urteil des OLG Stuttgart vom 25.08.2021, Az. 3 U 287/20, zu befassen, das für einige Aufregung gesorgt hat. Gegenstand der Entscheidung war eine multimodale Beförderung unter Einschluss einer Seestrecke und die Frage der Anwendbarkeit von Ziffer 23.1.2 und Ziffer 23.2 ADSp. Das OLG Stuttgart war im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis gelangt, dass Ziffer 23.1.2 ADSp auf die vorgenannte Konstellation schon deshalb nicht zur Anwendung gelangen würde, da diese Klausel nur auf nationale Transporte anwendbar sei, nicht aber auf internationale Beförderungen unter Einschluss einer Seestrecke. Dies ergebe sich bei systematischer und teleologischer...

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BAG, Entgeltgleichheit von Männern und Frauen, Urteil vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21

Diese Entscheidung hat in der Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit gesorgt, obwohl dies an sich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert es nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt. Die Klägerin ist seit dem 01.032017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500,00 € brutto. Ab dem 01.08. 2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der u.a. die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte....

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LG Köln, Haftung des Straßenfrachtführers: u.a. Wirkungen der vorbehaltlosen Zahlung eines Betrages der beschränkten Haftung, Urteil vom 12.03.2020 – 85 O 45/18

In der genannten Entscheidung hatte sich das Landgericht mit der Darlegungs- und Beweislast auseinanderzusetzen. Es ging um einen Haftungsfall mit temperaturgeführtem Gut, in dem der in Anspruch genommene Frachtführer den sich gemäß der gesetzlichen Haftung ergebenden beschränkten Haftungshöchstbetrag vorbehaltlos gezahlt hatte. Anschließend wurde seitens des Anspruchstellers jedoch die unbeschränkte Haftung geltend gemacht. Die Beklagtenseite hatte die gegen sie gerichtete Haftung umfassend bestritten und auf die Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers verwiesen. Die Kammer hat hierzu ausgeführt, dass die bedingungslose Zahlung des angemahnten Betrages der beschränkten Frachtführerhaftung ein "Zeugnis gegen sich selbst" darstelle, das zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast...

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OLG Saarbrücken, Verjährungshemmung, Urteil vom 20.05.2022, Az. 5 U 34/21

In dieser Entscheidung hatte sich der Senat mit der Frage der Verjährung gemäß Art 32 CMR zu befassen. Der Senat hat ausgeführt, dass gemäß Artikel 32 Abs. 2 Satz 1 CMR die Verjährung durch eine schriftliche Reklamation bis zu dem Tage gehemmt werde, an dem der Frachtführer die Reklamation schriftlich zurückweise und die beigefügten Belege zurücksende. Hierbei handele es sich um eine Vorschrift zugunsten des Anspruchsberechtigten, der, ohne Verjährung befürchten zu müssen, in die Lage versetzt werden solle, vor Anrufung der Gerichte die Entstehung des Schadens und den Schadensumfang zu prüfen und dem Frachtführer Gelegenheit zur Stellungnahme, gegebenenfalls zur Ersatzleistung, zu geben. Andererseits...

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LG Dortmund, Wirksamkeit einer Klausel über den Ausschluss bekannter Vorerkran-kungen zum Zeitpunkt der Reisebuchung, Urteil vom 28.04.2022 – 2 S 13/21

Das Landgericht hatte sich in II. Instanz mit einer Klausel in einem Reiseversicherungsvertrag zu befassen, wonach Vorerkrankungen nicht versichert sind, sofern sie zum Zeitpunkt der Reisebuchung bekannt gewesen und in den letzten sechs Monaten behandelt worden sind, wobei Kontrolluntersuchungen nicht als Behandlungen gelten. Die Kammer hat diese Klausel als wirksam erachtet und hierzu ausgeführt, dass die Klausel nicht gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam wäre. Eine unangemessene Benachteiligung liege vor, wenn eine Bestimmung mit dem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht zu vereinbaren sei. Gemäß § 19 Abs. 1 VVG habe der Versicherungsnehmer bis...

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LG Mönchengladbach, Erstattung von Stor-nokosten aus einer Reiserücktrittskostenversi-cherung wegen einer betriebsbedingten Probe-zeitkündigung, Urteil vom 09.03.2021, Az. 4 S 30/20

Das Landgericht hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen: Die Klägerseite hatte von dem beklagten Versicherer die Erstattung von Stornokosten aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Reiserücktrittskostenversicherungsvertrages verlangt. Hierin war vereinbart, dass ein versichertes Ereignis u.a. bei "Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung" vorliege. Konkret war es um eine Probezeitkündigung aus betrieblichen Gründen gegangen. Während das Amtsgericht die Klage noch abgewiesen hatte, hat das Landgericht dieser in vollem Umfang stattgegeben. Die Kammer ist im Unterschied zum Amtsgericht der Auffassung gewesen, dass eine betriebsbedingte Kündigung während der Probezeit nicht schon als solche grundsätzlich vorhersehbar i.S.d. Versicherungsbedingungen sei. Eine betriebsbedingte Kündigung während...

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